Warum der Public Health Index wichtig ist
Nichtübertragbare Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas oder Krebs nehmen in ganz Europa zu. Viele dieser Leiden sind stark durch Lebensstilfaktoren geprägt: Falsche Ernährung, zu wenig Bewegung, Rauchen und Alkoholkonsum zählen zu den größten Gesundheitsrisiken.
Gesundes Verhalten ist jedoch keine reine Privatsache. Auch politische Rahmenbedingungen spielen eine wichtige Rolle. Rauchfreie Räume, sichere Radwege, höhere Kosten für Alkohol und verständliche Nährwertkennzeichnungen auf Verpackungen erleichtern gesundheitsbewusste Entscheidungen.
Der Public Health Index, entwickelt vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem AOK-Bundesverband, macht deutlich, wie unterschiedlich europäische Länder Gesundheitsförderung umsetzen und welche Auswirkungen das auf die Bevölkerungen hat.
Deutschlands Platz im europäischen Gesundheitsvergleich
Deutschland investiert mehr Geld in die Gesundheitsversorgung als jedes andere EU-Land*. Trotzdem liegt die Lebenserwartung unter dem europäischen Durchschnitt. Dieser Widerspruch spiegelt sich auch im Public Health Index wider.
Insgesamt belegt Deutschland nur Rang 17 von 18 und landet somit auf dem vorletzten Platz. Das zentrale Problem: Viele wissenschaftlich empfohlenen politischen Instrumente werden nur zögerlich oder gar nicht umgesetzt.
Die vier untersuchten Handlungsfelder im Index zeigen, wie groß die Defizite sind.
Tabakkonsum: Deutschland weit abgeschlagen
In kaum einem europäischen Land ist die Tabakprävention so schwach ausgeprägt wie in Deutschland. Während Staaten wie Irland, Großbritannien und Frankreich hohe Tabaksteuern, konsequente Werbeverbote und neutrale Zigarettenverpackungen ohne Logo eingeführt haben, setzt Deutschland vergleichsweise wenig um. Dabei sind die gesundheitlichen Vorteile klar: Weniger Rauchende bedeutet weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weniger krebsbedingte Todesfälle.
"Generell ist es so, dass wir in Deutschland in der Vergangenheit in der Politik eine große Zögerlichkeit gesehen haben, wirksame Maßnahmen umzusetzen, die unpopulär sind. Wenn solche Maßnahmen umgesetzt wurden, dann oft nur aufgrund von Impulsen von außen (…) oder sie wurden abgeschwächt, oft aus Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Interessen der Tabakindustrie." Professorin Dr. Ute Mons, Abteilungsleiterin Primäre Krebsprävention des DKFZ
Alkoholkonsum: Günstig, verfügbar und allgegenwärtig
Auch beim Alkoholkonsum schneidet Deutschland schlecht ab. Alkohol ist preiswert, nahezu jederzeit erhältlich und überall präsent. Länder wie Norwegen, Finnland und Schweden haben strenge Regeln eingeführt, darunter hohe Verbrauchssteuern, eingeschränkte Verkaufszeiten und strikte Regeln für die Produktvermarktung. Diese Politik wirkt. Die Zahl alkoholbedingter Erkrankungen ist dort deutlich geringer. Deutschland hingegen erreicht im Index gemeinsam mit Österreich nur Platz 16.
Ernährung in Deutschland: Große Versäumnisse
Besonders groß sind die Defizite im Bereich Ernährung. Viele europäische Länder haben verbindliche Standards für Schulverpflegung, höhere Steuern für stark zucker-, fett- oder salzhaltige Produkte und strenge Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel, besonders für solche, die Kinder ansprechen. In Deutschland fehlen solche Vorgaben weitgehend. Zu den Vorreitern in Sachen Ernährung gehören Großbritannien, Dänemark und Norwegen. Sie beweisen, dass klare Regeln das Essverhalten verbessern und Gesundheitstrends positiv beeinflussen können.
Bewegung: Deutschland im Mittelfeld
Ein etwas besseres Bild zeigt sich beim Thema Bewegung. Nationale Bewegungsempfehlungen und eine Strategie, die Kampagnen und Bewegungszentren umfasst, sind vorhanden. Allerdings mangelt es an verbindlichen Maßnahmen, die Bewegung langfristig und flächendeckend fördern, etwa Programme in Schulen oder ein bundesweit ausgebautes Radwegenetz. Im europäischen Vergleich reicht es für Deutschland deshalb nur für das Mittelfeld.
Was andere Länder besser machen
An der Spitze des Public Health Index stehen Großbritannien, Finnland und Irland. Norwegen und Frankreich folgen auf den Plätzen vier und fünf. Diese Länder setzen konsequent auf Maßnahmen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich gut belegt ist. Dazu gehören höhere Steuern auf Tabak, Alkohol und zuckerhaltige Softdrinks, strikte Werberegeln und verbindliche Standards für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen.
Das Ergebnis dieser Politik lässt sich in den Daten erkennen. In Großbritannien und Irland wird europaweit am wenigsten geraucht**, Finnland und Norwegen zählen zu den Ländern mit dem niedrigsten Alkoholkonsum***.
Fazit: Wie gesund lebt Deutschland wirklich?
Der Public Health Index macht sichtbar, wie groß das Potenzial einer effektiven Gesundheitspolitik ist. Für Deutschland verdeutlicht der Vergleich, dass viele Chancen ungenutzt bleiben, um Krankheiten zu verhindern und die Lebenserwartung zu steigern.
Andere europäische Länder beweisen, dass gezielte Maßnahmen in den Bereichen Tabakkonsum, Alkoholkonsum, Ernährung und Bewegung messbare Fortschritte bringen. Deutschland könnte demnach gesünder leben, wenn erfolgreiche Strategien auch umgesetzt würden.
Zum Public Health Index: www.aok.de/pp/public-health/index
Gut zu wissen
Was ist der Public Health Index?
Der Public Health Index bewertet, wie gut europäische Länder gesundheitspolitische Maßnahmen umsetzen. Er analysiert vier Bereiche: Tabakkonsum, Alkoholkonsum, Ernährung und Bewegung. Der Index zeigt, welche Staaten wirksame Strategien zur Gesundheitsförderung nutzen und wo politischer Nachholbedarf besteht. Er macht Unterschiede transparent und vergleichbar.
Top-Länder im Public Health Index
- Vereinigtes Königreich
- Finnland
- Irland
- Norwegen
- Frankreich
Warum Deutschland im Gesundheitsvergleich schlecht abschneidet
- geringe Umsetzung wissenschaftlich empfohlener Maßnahmen
- schwache Tabakkontrollpolitik
- niedrige Alkoholpreise und breite Verfügbarkeit
- fehlende verbindliche Ernährungsrichtlinien
- unzureichende Infrastruktur für Bewegung
* OECD Health Statistics 2024
** Attitudes of Europeans towards tobacco and electronic cigarettes: report. [Internet]. European Commission; 2021. Verfügbar unter: https://data.europa.eu/doi/10.2875/490366
*** OECD, European Commission. Health at a Glance: Europe 2024. State of Health in the EU Cycle. OECD Publishing. 2024. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1787/b3704e14-en